Infrarot-Experte Marcel Wiechmann im Gespräch

Frage: Wie ist die moderne Infrarottechnik entstanden?

M. Wiechmann: Infrarotstrahlung wurde zwar früh entdeckt, aber sie fand erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts kommerzielle Verwendung. Der erste Wärmebildsensor wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen eines militärischen Auftrags der schwedischen Regierung entwickelt. Der schwedische Rüstungskonzern AGA-Bofors entwickelte ein Detektionsgerät, um eindringende Schiffe in der Ostsee bei Nacht detektieren zu können. AGA begann damit, die ersten Sensoren – damals mechanische Scanner-Systeme – zu entwickeln. Ziel war es, über die Wärmestrahlung auch Temperaturen bestimmen zu können.

Der größte Schritt zum heutigen Stand der Technik war die Entwicklung des Mikrobolometers. Zuvor mussten Sensoren auf 77 Kelvin (-196 °C) heruntergekühlt werden, um einen hohen Temperaturunterschied zur Objekttemperatur zu haben. Der Mikrobolometer muss nicht gekühlt werden, er verfügt über eine Sensorplatine mit einer besonderen Beschichtung, die auf Infrarotstrahlung reagiert und ihren Widerstand ändert. Dieser Widerstand wird anschließend ausgelesen. Seitdem wurde die Auflösung der Sensoren stetig weiterentwickelt. Die Anzahl der Pixel stieg und die Pixelgröße wurde immer kleiner.

Marcel Wiechmann ist seit über 20 Jahren weltweit in der Infrarot- und Wärmebildtechnik unterwegs. Heute ist er bei Orglmeister für den Bereich Unternehmensentwicklung & Innovation verantwortlich.

Frage: Welches sind die Hauptanwendungsgebiete der Infrarottechnik?

M. Wiechmann: Die Infrarot- Wärmebildtechnik hat zwei grundlegende Anwendungsbereiche. Bei der einen wird die Wärmestrahlung nur als sogenanntes Falschfarbenbild dargestellt und graphisch ausgewertet (Thermal Imaging; bildgebendes Verfahren). Bei der anderen wird aus der erfassten Strahlung auch eine Temperatur abgeleitet und berechnet (Thermografie; radiometrisches Verfahren).

Nach wie vor ist ein Haupteinsatzgebiet der Wärmebildtechnik im militärischen Bereich zu finden. Infrarot Sensorik fällt damit unter Dual-Use Exportregulationen, die es zu berücksichtigen gilt. Weitere bildgebende Verfahrensanwendungen sind die Nutzung als Observationskameras in der Sicherheitstechnik sowie im Jagd- und Outdoorbereich. Die messenden bzw. radiometrischen Anwendungen findet man vorwiegend in der Elektro-, Bau- und Industriethermografie.

Brand(früh)erkennung ist eine spezielle Anwendung aus der Thermografie, wo über die Objekt- oder Bereichstemperaturen der Zustand konstant überwacht wird und ggf. bei Abweichungen alarmiert wird und Folgeschritte automatisiert eingeleitet werden können.

Frage: Brandfrüherkennungssysteme von Orglmeister nutzen ebenfalls eine Kombination aus Mess- und Bildtechnologie. Wie wird mit alltäglichen Störfaktoren umgegangen?

M. Wiechmann: Aufgrund ihrer physikalischen Eigenschaften erfasst die Wärmebildkamera alle Arten von Wärmestrahlung. Wie im visuellen Bereich, können jedoch auch im Bereich der Wärmebildtechnik materialabhängige Reflexionen auftreten. Beispielsweise können Oberflächen wie Spiegelflächen oder glänzende Metallteile Wärme reflektieren. Der Detektor der Kamera arbeitet in diesem Fall korrekt und zeigt eine erhöhte Strahlung an, es handelt sich also nicht um eine Fehlmeldung oder Störung. Die Ursachen für unerwünschte Alarme müssen jedoch mit ausgefeilten Techniken, Analysen und Algorithmen herausgefiltert werden.

Orglmeister setzt dazu verschiedene Algorithmen und zusätzlich die visuelle Kamera ein. So können beispielsweise Sonnenreflexionen herausgefiltert werden, um Fehlalarme zu vermeiden. Die gezielte Unterdrückung von Fehlalarmen ist wichtig, da es sonst zu unerwünschtem Auslösen der automatischen Löschanlagen kommen kann. Die Brandfrüherkennungssysteme von Orglmeister sind in der Lage, viele Störgrößen, die z.B. durch Fahrzeuge (heißer Bauteile), Personen oder Reflexionen (z.B. Wasserflächen, Metalloberflächen) entstehen, erfolgreich herauszufiltern.

Frage: Welche zukünftigen Anwendungsmöglichkeiten sehen Sie für die Infrarottechnologie?

M. Wiechmann: Früher war die Infrarottechnik sehr teuer und konnte deshalb in vielen sensiblen Bereichen nicht eingesetzt werden. Vor 20 Jahren kostete eine Einstiegskamera mindestens 20.000 DM und war dementsprechend selten anzutreffen. Dank neuer Produktionstechniken und Fertigungsentwicklungen gibt es heute Infrarotkameras für fast jeden Geldbeutel und damit auch neue Anwendungsmöglichkeiten. So wurden während der Corona-Pandemie in vielen Betrieben Wärmebildkameras an den Eingängen installiert, um die Körperwärme der Mitarbeiter zu messen. Dies ist jedoch eine technisch und physikalisch anspruchsvolle Aufgabe, bei der Faktoren wie das Erwärmungsverhalten der Haut berücksichtigt werden müssen. Auch wenn dies nicht immer perfekt umgesetzt wurde, stellt diese Anwendung eine neue Möglichkeit dar.

Zudem wird der Preisverfall dazu führen, dass Infrarotsensoren in Zukunft in vielen mobilen Geräte eingebaut werden. Schon heute gibt es Mobiltelefone mit integrierten Infrarotsensoren für Berufsgruppen wie Techniker und Architekten. Im Wohnbereich wird Infrarottechnik zur Hausüberwachung (Smart Home) eingesetzt. Auch in der Küche gibt es erste Smart-Home-Sicherheitssysteme, bei denen ein Sensor die heiße, aber unbenutzte Herdplatte erkennt und abschaltet, bevor sich ein Kind daran verbrennen kann. Der Einsatz von Wärmebildsensoren kann auch neue Möglichkeiten eröffnen, die Effizienz von Heizungen im Bereich Smart Home zu überprüfen und anzupassen.

Bei der Brandfrüherkennung werden wir wahrscheinlich dank besserer Technik und höherer Auflösung in der Lage sein, noch größere Flächen mit nur einem Gerät zu überwachen.

Es bleibt also spannend, wohin die Reise gehen wird!

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